Aufmarsch für die Einheit

In Barcelona haben am Sonntag mehrere hunderttausend Menschen gegen eine Abspaltung Kataloniens von Spanien demonstriert. Die Stadtpolizei Guàrdia Urbana bezifferte die Teilnehmerzahl auf 350.000 Menschen, die Veranstalter sprachen von 2,5 Millionen. Zu der Großdemonstration aufgerufen hatten unter anderem die spanische Regierungspartei PP und die rechtsliberalen »Bürger« (Ciudadanos), aber auch neofaschistische Gruppierungen. In zahlreichen Städten Spaniens war zu der Kundgebung mobilisiert worden, mehrere hundert Busse brachten Teilnehmer in die katalanische Metropole.

Bei der Abschlusskundgebung verlasen der peruanische Schriftsteller Mario Vargas Llosa sowie der frühere Minister und EU-Parlamentspräsident Josep Borrell ein Manifest gegen die Unabhängigkeit Kataloniens. »Wir wollen, dass Barcelona wieder so wird wie damals, als ich hier lebte, in den letzten Jahren der Diktatur, als in Barcelona bereits die Lüfte Europas und der Zivilisation wehten«, zitierte die Tageszeitung Ara auf ihrer Homepage aus der Rede Vargas Llosas.

Am Vortag hatten Zehntausende Menschen in 50 Städten Spaniens für Verhandlungen demonstriert. Unter der Losung »Parlem! Hablamos!« (Lass uns reden!) forderten sie unter anderem in Madrid und Barcelona Gespräche zur Beilegung der Krise. Solchen erteilte der spanische Regierungschef Mariano Rajoy am Wochenende erneut eine Absage. Der Tageszeitung El País sagte er, die Regierung könne keinen Dialog führen oder einer Vermittlung zustimmen, solange mit dem Bruch der Einheit Spaniens gedroht werde. Rajoy wollte weder die Aufhebung der Autonomie Kataloniens noch die Verhängung des Ausnahmezustandes ausschließen, falls die katalanische Regierung die Unabhängigkeit verkünde.

Die Katalanische Nationalversammlung (ANC), die in der Vergangenheit die Großdemonstrationen für eine Abspaltung Kataloniens organisiert hatte, forderte am Sonntag erneut die Proklamation der Unabhängigkeit während der für Dienstag vorgesehenen Parlamentssitzung. Spekuliert wurde in Katalonien aber auch, dass Ministerpräsident Carles Puigdemont dieses Wort vermeiden und eine Republik sowie den Beginn eines »verfassunggebenden Prozesses« ausrufen könnte. Albano Dante Fachin, Generalsekretär der Linkspartei Podemos in Katalonien, kündigte an, dass seine Partei dies mittragen würde. Eine einseitige Unabhängigkeitserklärung lehnte er im Gespräch mit dem Onlinemagazin Nació Digital erneut ab.

Erschienen am 9. Oktober 2017 in der Tageszeitung junge Welt