Auf Gott geschissen

In Madrid ist am Mittwoch abend der Schauspieler und Theaterproduzent Willy Toledo festgenommen und über Nacht inhaftiert worden. Grundlage dafür war ein in der vergangenen Woche erlassener Haftbefehl, durch den der Richter sicherstellen wollte, dass Toledo einer Vorladung für den gestrigen Donnerstag Folge leisten würde. Nach der Befragung wurde er wieder auf freien Fuß gesetzt.

Wie das Onlineportal Público am Donnerstag berichtete, wies Toledo bei dieser Anhörung alle Vorwürfe zurück. Er habe kein Verbrechen begangen, bekräftigte er seine Aussagen, die er bereits im Juli schriftlich beim zuständigen Ermittlungsrichter eingereicht hatte. »Es wäre nicht nötig gewesen, mich wegen solch einer Anzeige einem Richter und Staatsanwalt vorzuführen.« Toledo kritisierte, dass das spanische Strafrecht mitten im 21. Jahrhundert noch immer fünf Paragraphen beinhaltet, die im Zusammenhang mit der Beleidigung religiöser Gefühle stehen.

Hintergrund des Verfahrens ist ein Strafantrag der »Spanischen Vereinigung christlicher Rechtsanwälte«, die Toledo die »Beleidigung religiöser Gefühle« vorwerfen. Der Schauspieler hatte 2017 auf Facebook mit deftigen Worten gegen die Verfolgung von drei Frauen in Sevilla protestiert. Diese hatten am 1. Mai 2014 wie bei einem Karfreitagsumzug eine fast zwei Meter große Vagina durch die Hauptstadt Andalusiens getragen und diese Demonstration als »Prozession der allerheiligsten widerspenstigen Muschi« bezeichnet. Das Verfahren gegen die Aktivistinnen war im Juni 2016 zunächst eingestellt, am 4. Juli 2017 jedoch wieder eröffnet worden. Einen Tag später schrieb Toledo: »Ich scheiße auf Gott. Und mir bleibt dann noch genügend Scheiße übrig, um auf das Dogma der Heiligkeit und Jungfräulichkeit der Mutter Maria zu scheißen.«

Toledo wurde am Mittwoch unmittelbar vor Beginn einer Solidaritätsveranstaltung in einem Theater der spanischen Hauptstadt abgeführt. Die Versammlung im Teatro del Barrio wurde daraufhin zu einer Mahnwache und Kundgebung mit offenem Mikrofon. Der Saal war so überfüllt, dass viele Menschen draußen bleiben mussten. Es gehe nicht um diesen einzelnen Fall, sondern um die Verteidigung der immer mehr eingeschränkten Meinungsfreiheit in Spanien, war Konsens unter den Teilnehmern.

Der frühere Chef der andalusischen Landarbeitergewerkschaft SAT, Diego Cañamero, der inzwischen für das Linksbündnis Unidos Podemos im spanischen Parlament sitzt und sich selbst als Christ versteht, rief zum Widerstand gegen die Repression auf. »Das Volk muss seine Rechte durch Kampf und Aufstand zurückgewinnen, denn das Leben ist ein Herzschlag in der Geschichte des Klassenkampfes.«

Antonia Ávalos, eine der Angeklagten wegen der Prozession in Sevilla, verwies auf das unter der rechtskonservativen Regierung von Mariano Rajoy verabschiedete Maulkorbgesetz. Dieses sei das perfekte Instrument der Herrschenden, um die Bevölkerung zum Schweigen zu bringen: »Das Ziel ist nicht Zensur, sondern Selbstzensur, damit uns der Staat kontrollieren kann.« Toledo werde nicht nur für seine Worte verfolgt, sondern auch wegen seiner Unterstützung der Feministinnen: »Wir haben patriarchale Gesetze, die im Katholizismus verwurzelt sind.« Sie selbst wird sich am 3. März 2019 vor Gericht verantworten müssen. Diesen Termin hatten die zuständigen Richter bereits im vergangenen Februar festgelegt.

Der Jurist Enrique Santiago, Generalsekretär der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE), kritisierte bei der Veranstaltung, dass das Rechtssystem Spaniens seit der Franco-Diktatur nicht gesäubert worden sei. »Wir müsse für seine Demokratisierung eintreten, denn diese Vorgänge sind eines Rechtsstaats unwürdig!«

Erschienen am 14. September 2018 in der Tageszeitung junge Welt