Alternativen zum Chaos

Ecuadors Wirtschaftsminister Pedro Páez hat am Mittwoch bei einer internationalen wirtschaftspolitischen Konferenz in Caracas die Gründung eines Alternativen Währungsfonds als weiteren Gegenpol zum diskreditierten Internationalen Währungsfonds IWF angeregt. Auch ein Netz der lateinamerikanischen Zentralbanken könne helfen, die Krise zu bewältigen, sagte Páez vor Ökonomen aus mehr als 20 Ländern. Die wollen bis zum Sonnabend »Antworten des Südens auf die Wirtschaftskrise«, so der Titel der Konferenz, suchen.

»Wir haben genügend Ressourcen, um die internationale Arbeitsteilung und die Beziehungen zwischen den produktiven Strukturen und dem Finanzapparat neu zu definieren«, sagte Páez und nannte als weiteren Vorschlag eine den gesamten Kontinent umfassende Währungs- und Finanzautonomie. Im Jahr 2000 hatte Ecuador die eigene Landeswährung, den Sucre, abgeschafft und den US-Dollar als Zahlungsmittel übernommen. Ecuadors jetziger Präsident Rafael Correa hat den damaligen Schritt zwar verurteilt, bisher war seine Regierung jedoch vor dem komplizierten Schritt der Rückkehr zu einer nationalen Währung zurückgeschreckt.

»Wir müssen spezifische Vorschläge formulieren, die sich auf die Bedürfnisse der Völker stützen und sowohl die Menschenrechte als auch die Erfüllung der Grundbedürfnisse garantieren«, sagte Minister Páez und nannte als Beispiele die Union Südamerikanischer Nationen (Unasur) sowie die Bolivarische Alternative für Amerika (ALBA). Ecuador selbst ist der aus Kuba, Venezuela, Bolivien, Nicaragua, Dominica und seit kurzem auch aus Honduras bestehenden Gemeinschaft ALBA bislang nicht beigetreten.

Venezuelas Präsident Hugo Chávez betonte bei der Konferenz ebenfalls die Bedeutung der lateinamerikanischen Integration für die Bewältigung der Krise. Was wäre wohl passiert, fragte Chávez, wenn es den USA gelungen wäre, die Amerikanische Freihandelszone (ALCA/FTAA) zu installieren. Das »koloniale und imperialistische« Projekt einer Freihandelszone von Alaska bis Feuerland war 1991 vom damaligen US-Präsidenten George Bush sen. initiiert worden. Zunächst hatten es – außer Kuba, das gar nicht eingeladen worden war – praktisch alle lateinamerikanischen Staatschefs unterstützt. Erst als sich Chávez nach seinem Amtsantritt 1999 an die Spitze der Kritiker setzte, hatte sich die Lage geändert. Angesichts des wachsenden Widerstandes aus der Bevölkerung und von immer mehr lateinamerikanischen Regierungen war das ALCA-Projekt dann beim Amerika-Gipfel 2005 im argentinischen Mar del Plata ad acta gelegt worden.

Chávez unterstützte die Vorschläge des ecuadorianischen Ministers. Der IWF müsse sich auflösen und ebenso vom Antlitz der Welt verschwinden wie andere Machtzentren des Imperialismus. Wenn man davon spreche, die Verantwortlichen für die Krise zur Rechenschaft zu ziehen, müsse man auch US-Präsident George W. Bush und IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn den Prozeß machen. »Die Grundlagen des Kapitalismus erzittern. Das ist ein untragbares System« für die Völker der Welt, rief der venezolanische Präsident aus. Die gegenwärtige Krise sei nicht nur eine Krise der Finanzen, der Wirtschaft und der Lebensmittelversorgung, sondern eine epochale Krise, in der ein »perverses Wirtschaftssystem« an sein Ende gelange. »Etwas stirbt, aber ist noch nicht endgültig gestorben, und etwas wird geboren, ist aber noch nicht endgültig auf der Welt.« Die Krise biete auch Chancen, und zum Glück »haben wir in Lateinamerika eine tiefgreifende, echte und wirkliche Revolution, nämlich die Kubanische, die als Festung des Widerstandes handelt und ein Beispiel darstellt, das uns überall in Lateinamerika Kraft und Mut gibt«, so Chávez weiter.

Erschienen am 10. Oktober 2008 in der Tageszeitung junge Welt