Akt der Hygiene: Rajoy abgewählt

Weg ist er. Am Ende hat bei der Mehrheit der Abgeordneten des spanischen Parlaments der letzte Rest von Anstand gesiegt, Oppositionsführer Pedro Sánchez konnte die für das konstruktive Misstrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten Mariano Rajoy notwendige Stimmenzahl erreichen. Das war lange für unwahrscheinlich gehalten worden, doch zuletzt war Rajoys Volkspartei (PP) im Zuge des Korruptionsprozesses gegen frühere hochrangige Parteifunktionäre höchstrichterlich zur kriminellen Organisation erklärt worden – das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Eine Säuberung der spanischen Politik stellt die Entscheidung vom Freitag aber nicht dar. Vielmehr war sie selbst das Ergebnis von Kungeleien hinter den Kulissen. So hatte die konservative Baskische Nationalistische Partei (PNV) noch eine Woche zuvor als Gegenleistung für lukrative Finanzzusagen Rajoys dem Haushaltsplan der Regierung zugestimmt. Erst als Sánchez ihr zusicherte, diese Geschenke beizubehalten, fanden sich die Basken bereit, ihre als entscheidend geltenden fünf Stimmen für die Absetzung Rajoys zu geben. Am Ende betrug die Mehrheit sogar elf Stimmen.

Wahrscheinlich ist, dass Sánchez nun versuchen wird, möglichst lange im Amt zu bleiben – auch eine Beendigung der noch zwei Jahre dauernden Legislaturperiode wird nicht ausgeschlossen. Das hat in erster Linie wahlpolitische Gründe, denn durch den »Amtsbonus« könnten die Sozialdemokraten dann die »Ciudadanos« (Bürger) doch noch auf Abstand halten. Die sind gerade dabei, die PP als führende Rechtspartei in Spanien abzulösen und wurden in jüngsten Umfragen als Sieger vorgezogener Parlamentswahlen gehandelt.

Auch deshalb ist es unwahrscheinlich, dass Sánchez und seine Sozialdemokraten der PSOE – die ihrem klangvollen Namen »Spanische Sozialistische Arbeiterpartei« schon lange nicht mehr gerecht wird – ihre Minderheitsregierung dazu nutzen werden, Spanien aus der gesellschaftlichen Krise zu führen. Die PSOE hatte sich in den vergangenen Jahren immer weiter an Rajoys Politik angepasst, die ideologisch an die nationalistischen Vorstellungen des Franco-Regimes angelehnt war. So hatten die Sozialdemokraten im vergangenen Oktober der Zwangsverwaltung Kataloniens nach Verfassungsartikel 155 zugestimmt – und sich damit als mögliche Vermittlerin ins Abseits gestellt. Auch gegen die Verfolgung von Musikern, Gewerkschaftern und Politikern durch die spanische Justiz war von den Sozialdemokraten bislang kaum ein Wort des Protestes zu hören.

Erschienen am 2. Juni 2018 in der Tageszeitung junge Welt