Abschied von Uri Avnery

Mit Trauer und Bestürzung hat die israelische Friedensorganisation Gusch Schalom auf den Tod ihres Gründers Uri Avnery reagiert. Er werde in die Geschichte des Staates Israel als weitsichtiger Visionär eingehen, der einen Weg aufgezeigt habe, den andere nicht erkennen konnten. »Avnerys größte Gegner werden letztlich seinen Fußspuren folgen müssen, denn der Staat Israel hat keine andere reale Chance«, heißt es in dem Nachruf der Organisation. Es sei unabdingbar für die Zukunft Israels, Frieden mit seinen Nachbarn zu erreichen und sich in die geographische und politische Region einzuordnen, in der es liege.

Gusch Schalom wies am Montag darauf hin, dass »die am weitesten rechts stehende Regierung in der Geschichte Israels« gerade mit der Hamas über eine Entspannung der Lage am Gazastreifen verhandle und fragt, warum die demagogischen Vorwürfe, die zeit seines Lebens gegen Avnery erhoben wurden, wenn er solche Gespräche forderte, nun nicht gegen Verteidigungsminister Avigdor Lieberman laut würden.

Uri Avnery wurde 1923 als Helmut Ostermann im westfälischen Beckum geboren. Nach der Machtübernahme der Faschisten floh er mit seiner Familie in das britische Mandatsgebiet Palästina. Er schloss sich der zionistischen Untergrundorganisation Irgun an, die gegen die britische Mandatsmacht kämpfte. Im ersten Nahostkrieg von 1948 kämpfte Avnery in der israelischen Armee und wurde schwer verletzt.

1950 gründete er die Wochenzeitung Haolam Haze, die sich kritisch mit der israelischen Politik auseinandersetzte. Von 1965 bis 1973 und noch einmal von 1979 bis 1981 war er Abgeordneter der Knesset. Als einer der ersten Bürger Israels traf er im Juli 1982 in der damals von Israels Armee belagerten libanesischen Hauptstadt Beirut den Anführer der palästinensischen Freiheitsbewegung, Jassir Arafat. Avnery setzte sich für einen palästinensischen Staat in friedlicher Koexistenz mit Israel und für die Rückkehr der ab 1948 aus ihrer Heimat vertriebenen Palästinenser ein. Anfang der 1990er Jahre gründete er dazu gemeinsam mit seiner 2011 gestorbenen Frau Rachel Gusch Schalom (Friedensblock). Die Organisation wurde 2001 mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.

Vor zwei Wochen brach der 94jährige in seinem Haus zusammen, als er sich gerade auf den Weg zu einer Demonstration gegen das vom israelischen Parlament beschlossene Nationalstaatsgesetz machen wollte. Nur Stunden zuvor hatte er dieses in einem Artikel als »halbfaschistisch« kritisiert. Er wurde in das Ischilov-Krankenhaus in Tel Aviv gebracht, wo er in der Nacht zum Montag starb.

In ihrem Nachruf heißt es von Gusch Schalom: »Avnery widmete sich ganz dem Kampf um Frieden zwischen dem Staat Israel und dem palästinensischen Volk in seinem unabhängigen Staat ebenso wie zwischen Israel und der arabischen und muslimischen Welt. Er erreichte das Ende des Weges nicht, er lebte nicht lange genug, um zu sehen, wie der Frieden kommt. Wir, die Mitglieder von Gusch Schalom ebenso wie viele andere Menschen, die von ihm direkt oder indirekt beeinflusst wurden, werden seine Mission fortsetzen und sein Andenken ehren.«

Erschienen am 21. August 2018 in der Tageszeitung junge Welt