Abschied von Santiago Carrillo

Am Dienstag ist in Madrid der frühere Generalsekretär der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE), Santiago Carrillo, im Alter von 97 Jahren gestorben.

Der im asturischen Gijón geborene Politiker war bereits in jungen Jahren politisch aktiv geworden. 1934, im Alter von 19 Jahren, wurde er Vorsitzender der Vereinigten Sozialistischen Jugend (JSU), dem Zusammenschluß des kommunistischen und des sozialdemokratischen Jugendverbandes. 1936 schloß er sich der Kommunistischen Partei an und kämpfte im Krieg gegen die Franco-Faschisten als Offizier und politischer Kommissar für die Verteidigung der Spanischen Republik. Nach deren Niederlage flüchtete er nach Frankreich, wo er die meiste Zeit des Exils verbrachte, und organisierte von hier aus den illegalen Kampf seiner Partei gegen die Diktatur.

1960 wurde Carrillo als Nachfolger von Dolores Ibárruri zum Generalsekretär der PCE gewählt, während die legendäre »Pasionaria« den Vorsitz der Partei übernahm. Unter Carrillos Führung schwenkte die Organisation auf »eurokommunistische« Positionen um und distanzierte sich nach dem Einmarsch von Truppen des Warschauer Vertrags in Prag 1968 offen von der Sowjetunion.

Nach dem Tod Francos kehrte Carrillo 1976 nach Spanien zurück und stellte sich bei einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit. Prompt wurde er verhaftet, weil die PCE noch immer illegal war. Wenig später jedoch wurde Carrillo für den damaligen Ministerpräsidenten Adolfo Suárez zum unverzichtbaren Verhandlungspartner in der »Transición«, dem Übergang von der Diktatur zur Demokratie. Dabei akzeptierte er die Monarchie als Staatsform und den Verzicht auf eine Wiedereinführung der republikanischen Farben Rot-Gelb-Violett als Staatsflagge. Seine Bereitschaft zur »Versöhnung« zwischen Siegern und Besiegten des Krieges, die Akzeptanz der Verfassung von 1978 sowie der Verzicht auf den Marxismus-Leninismus im Parteiprogramm wurde von vielen Parteimitgliedern, die in der Illegalität gegen die Diktatur gekämpft hatten, als Verrat an den Idealen empfunden. Die internen Auseinandersetzungen führten schließlich dazu, daß die PCE bei den Wahlen 1982 eine bittere Niederlage erlitt. Hatte sie bei den ersten Abstimmungen nach Francos Tod noch um die zehn Prozent der Stimmen erreicht, stürzte sie nun auf vier Prozent ab. Carrillo trat daraufhin als Generalsekretär zurück. Sein Nachfolger wurde Gerardo Iglesias, unter dem die Partei gegen den erbitterten Widerstand Carrillos und seiner Anhänger von den »eurokommunistischen« Positionen abrückte. 1985 wurde Santiago Carrillo aus der PCE ausgeschlossen und gründete die »Partei der Arbeiter Spaniens« (PTE), die jedoch erfolglos blieb. Nachdem seine neue Organisation bei den Parlamentswahlen 1989 nur noch 0,4 Prozent der Stimmen erreichte, beschloß die PTE 1991 ihren Beitritt zur sozialdemokratischen PSOE. Carrillo, der den Schritt in die Sozialdemokratie nicht mitgehen wollte, zog sich aus der aktiven Politik zurück.

In einer kurzen Erklärung würdigte die PCE ihren einstigen Generalsekretär. Man fühle »Respekt« für einen Mann »der für seine Ideen gekämpft und einen Großteil seiner Lebensjahre mit dieser Partei verbracht hat«. Trotz der Differenzen habe die Kommunistische Partei sein Wirken immer respektiert.

Gemeinsam mit Carmela Negrete. Erschienen am 20. September 2012 in der Tageszeitung junge Welt