513 Jahre Widerstand – 12. Oktober: Venezuela begeht den Tag des Indigenen Widerstandes

Vor 513 Jahren landeten drei Segelschiffe, die sich völlig verfahren hatten, versehentlich an einer Insel sich später als ein Kontinent herausstellte, den die Europäer bis dahin nicht gekannt hatten. Seither feiern die Europäer, die sich den Kontinent und die dort lebenden Menschen unterwarfen, den 12. Oktober 1492 als Jahrestag der „Entdeckung Amerikas“. Lange wurde dieser Tag, an dem nicht nur Spanien seine Eroberungen, sondern auch viele „unabhängige“ Staaten des Kontinents ihre Unterwerfung feiern, als „Tag der Rasse“ begangen. Heute wird meist „politisch korrekter“ vom „Tag der Begegnung“ gesprochen. Damit wird zugleich vom Fortbestehen der Unterdrückung der indigenen Völker ebenso abgelenkt wie davon, dass in Zeiten des Imperialismus von einer wirklichen Unabhängigkeit Lateinamerikas bis heute nicht gesprochen werden kann, von zwei Ausnahmen abgesehen: Cuba und Venezuela, wobei mit Blick auf die Rechte der Indígenas, den "eigentlichen Herren dieses Landes" (Simón Rodríguez, der Lehrer von Simón Bolívar) besonders Venezuela interessante Entwicklungen zeigt.

2002 hatte Venezuelas Präsident Hugo Chávez in einem Dekret die Umbenennung des Feiertages am 12. Oktober angeordnet. Der bis dahin auch in Venezuela „Tag der Rasse“ genannte Tag wird seither als „Tag des Indigenen Widerstandes“ begangen. In seinem Dekret begründete Chávez die Umbenennung damit, dass die kolonialen und eurozentristischen Vorurteile überwunden werden müßten. Venezuela hat in dieser Hinsicht einen wichtigen Schritt bereits mit der 1999 verabschiedeten Verfassung getan, die sich bereits in der Präambel ausdrücklich auf die indigenen Völker und ihren Widerstandskampf als eine der Wurzeln der venezolanischen Identität beruft.

Erstmals wurde den Rechten der indigenen Völker in der Verfassung ein eigenes Kapitel gewidmet. So heißt es beispielweise im Artikel 120 des venezolanischen Grundgesetzes: „Soweit der Staat die Naturreichtümer im Lebensraum der indigenen Völker nutzt, darf er dabei nicht ihre kulturelle, soziale und wirtschaftliche Integrität schädigen und ist dabei verpflichtet, die jeweiligen indigenen Gemeinschaften vorher zu informieren und sie hierzu anzuhören.“

An die 33 Ethnien angehörenden rund 500.000 Indigenas Venezuelas richtet sich auch die „Mission Guaicaipuro“, deren Ziel es entsprechend der Verfassungsbestimmungen ist, eine grundsätzliche Verbesserung der Lebensbedingungen der eingeborenen Völker zu erreichen. Daneben wenden sich auch die viele weitere Bereiche des sozialen und gesellschaftlichen Lebens umfassenden Missionen – wie die Alphabetisierungskampagne „Mission Robinson“ oder das Ärzteprogramm „Barrio Adentro“ – an die Indígenas.

Die Indígenas nehmen die sich ihnen durch die Bolivarianische Revolution eröffnenden Möglichkeiten bewußt war und fordern auch die Umsetzung ihrer garantierten Rechte ein, wo dies von regionalen oder nationalen Behörden verweigert oder nur schleppend umgesetzt wird. Für Aufsehen sorgte vor einem Jahr der demonstrative Sturz der Kolumbus-Statue in Caracas durch mehrere Hundert Demonstranten. Drei Menschen, die als Urheber ausgemacht worden waren, wurden daraufhin verhaftet, was zu heftigen Protesten der Basisorganisationen führte. Bis heute wurde Statue nicht wieder errichtet und es deutet auch nichts darauf hin, dass jemandem daran gelegen wäre, sie wieder aufzubauen.

Artikel vom 12. Oktober 2005